Jahresrückblick 2022 - Bürgermeister Alexander Simon


Für die Nachkriegsgenerationen ging mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine eine Zeit zu Ende, in der man Kriege meist nur aus den Nachrichten oder aus Erzählungen der Geflüchteten kannte. Plötzlich war Krieg ganz nahe und diejenigen, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt haben, fühlten sich plötzlich an diese schreckliche Zeit erinnert. Die Bilder und Berichte über Kriegsgräuel verstören. Im März kamen die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine in Eppstein an. Einige konnten privat unterkommen, rund 200 Geflüchtete wurden in der als Notunterkunft vom Main-Taunus-Kreis eingerichteten ehemaligen Sparkassenakademie untergerbacht. Sofort standen ehrenamtliche Helferinnen und Helfer parat, die halfen, organisierten, betreuten. Ihnen gilt mein herzliches Dankeschön. Nach Auflösung der Unterkunft in der ehemaligen Sparkassenakademie musste für die Menschen eine neue Bleibe gesucht werden und es gelang, einigen Wohnraum in Eppstein zu organisieren. Mittlerweile gibt es sogar eine Sprechstunde in ukrainischer Sprache im Rathaus. Was künftig mit dem Areal der ehemaligen Sparkassenakademie geschehen wird, ist offen. Wir wollen mit Ruhe und Bedacht an dieses städtebaulich exponierte Thema herangehen. Kommunalpolitische Entscheidungsträger können gute Ideen und Vorschläge entwickeln. Für ein erfolgreiches Wirken ist hier eine frühzeitige Beteiligung, Einbeziehung und Mitwirkungsmöglichkeit der Bürgerschaft unerlässlich.

Ja und auch die Corona-Pandemie gab es im Jahr 2022. Auch wenn einige Menschen, die sich montags am Rathaus in Vockenhausen trafen und sich selbst gerne als einfache Spaziergänger sahen, ihren Unmut gegen Schutzmaßnahmen zum Ausdruck brachten und in Ansprachen mit abenteuerlichen und abwegigen Gruselgeschichten aufwarteten. Die stille Mehrheit sah nach dem zweiten Corona-Winter frohen Mutes den wiederauflebenden Veranstaltungen und Treffen entgegen. Testzentren in Eppstein wurden eingerichtet, im Rathaus in Vockenhausen gab es regelmäßige Impfangebote, die von vielen wahrgenommen wurden.

Wir lernen immer besser, mit dem Virus zu leben. So konnten wir ohne Lockdown ein herrliches Veranstaltungsjahr in Eppstein genießen. Sogar die Burgfestspiele waren trotz letzter Arbeiten am Bergfried der Burg möglich und bescherten uns wunderbare Sommerabende auf der Burg. Dazu wurde zur großen Freude der Burgschauspieler pünktlich die Juchhe in Betrieb genommen, was sich mit dem neuen Catering-Konzept im Ostzwinger der Burg gut ergänzte. Zum 50. Burgfest des Burgvereins konnten wir wieder richtig feiern. Statt eines Burgfestes „light“ wie noch im Jahr zuvor, lud der Burgverein an drei Tagen zum Fest. Unvergessen der farbenprächtige Umzug der Eppsteiner Vereine bis auf die Burg. War das schön, sich wieder dort zusammen zu finden. Endlich, seit der Schließung im März 2020, konnte die Burg im September dann auch wieder offiziell öffnen. Das Gerüst um den Bergfried war abgebaut, und der 25 Meter hohe Turm mit rund 28 Tonnen Steinen und 12 Tonnen Mörtel wieder gesichert. In der neu hoch gezogenen Mauerkrone ist nun eine Zeitkapsel eingemauert. Und noch ein großes Projekt konnte auf der Burg neben Juchhe und Bergfried im vergangenen Jahr sein Ende finden. Die Arbeiten für das neue Beleuchtungskonzept, mit knapp 200.000 Euro das größte Projekt des Burgvereins, konnten abgeschlossen werden. Bis zu 90 Prozent Einsparung des Stromverbrauchs sind jetzt möglich. Genießen können wir die wie in silbrigen Mondlicht getauchte Burg zunächst nicht immer. Aufgrund der bundesweiten Energie-Sparmaßnahmen musste unsere Burg zunächst unbeleuchtet bleiben. 900 Jahre nach ihrer urkundlichen Ersterwähnung wurde unsere Burg in 2022 wieder beliebtes Ausflugsziel und Besuchermagnet. So passt es, dass im Jubiläumsjahr drei große Projekte abgeschlossen werden konnten, die unsere Burg „fit“ für die Zukunft machen.

Noch vor Ostern wurde eine weitere Baumaßnahme beendet: Die letzten 150 Meter der Gimbacher Straße konnten ganz im Zeitplan erneuert werden, so dass die Zufahrt zum Kaisertempel und zum Restaurant wieder frei gegeben werden konnte. In der Kindertagesstätte in Niederjosbach wurde das Untergeschoss umgebaut. Jetzt ist Platz für eine weitere Gruppe. In dieser Einrichtung konnten dadurch erfreulicherweise die Anzahl der Betreuungsplätze um 15 auf 90 Plätze erhöht werden. Da darüber hinaus weitere Kindergartenplätze im Stadtgebiet dringend benötigt werden, wurde das Bauleitplanverfahren für das Areal An der Embsmühle in Vockenhausen weiter vorangetrieben. Nach zwei offiziellen Bürgerbeteiligungsphasen und mehreren Gesprächsterminen vor Ort und einer Anliegerversammlung im Rathaus, hält die Kommunalpolitik einstimmig an der Idee fest, eine neue Kinderbetreuungseinrichtung mit vier Kindergartengruppen und bis zu drei Krippengruppen zu bauen, auch wenn dies auf anhaltende Kritik der Nachbarschaft stößt.  

Nur noch einige wenige Bushaltestellen müssen in den nächsten Jahren barrierefrei ausgebaut werden, so, wie es die Bundesgesetze vorschreiben. Mit jeweils einer Bushaltestelle in der Waldallee und in der Freiherr-vom-Stein-Straße sind wir im Jahr 2022 dieser Vorgabe wieder nähergekommen. 31 Haltestellen sind damit umgerüstet. In diesem Jahr ist Niederjosbach mit drei Haltestellen an der Reihe. Im Wohngebiet Amtmannswiesen II lebt es sich gut: das können diejenigen bestätigen, die sich dort mit ihrer Familie den Traum vom eigenen Haus verwirklichen konnten. Über 10 Jahre dauerte es, vom Beginn der Planänderung im Jahr 2012 bis zum Endausbau der Straße im Frühjahr 2022. 14 Grundstücke für junge Familien sind gegen die lauten Bedenken einer Minderheit entstanden: eine richtige Entscheidung. Mit massiver Kritik und Ablehnung sahen und sehen wir uns bei der Idee konfrontiert, in Ehlhalten im Bereich des Steinbergs dort vorhandene vier Sackgassen um eine Häuserreihe zu erweitern und so rund acht neue Grundstücke entstehen zu lassen.

Fortschritte machen die Radwegeverbindungen, zunächst jedoch nur auf dem Papier und in den Akten. Die Stadt hat für das eigentlich zuständige Land Hessen die Planungen für den Radweg von Eppstein nach Bremthal ebenso wie die Planung für den Radweg von Bremthal nach Wildsachsen übernommen – natürlich gegen Erstattung des Kostenaufwandes. So konnten im Jahr 2022 erste Entwürfe der Wegeverbindung von Bremthal entlang der Wildsächster Straße nach Wildsachsen erarbeitet und präsentiert werden. Über ein Jahr lang wird die Trassenführung auf mögliche negative Umwelteinflüsse untersucht. Eine Ladestation für Elektrofahrräder mit vier Lademöglichkeiten wurde am Gottfriedplatz installiert, denn es zeigt sich: der Bedarf ist da. Am Stadtbahnhof sind alle Abstellmöglichkeiten mit innenliegenden Ladestationen vermietet.

Unsere Feuerwehr war im vergangenen Jahr wieder allzeit für uns da. Ich bin froh und dankbar, dass knapp 200 Eppsteinerinnen und Eppsteiner im aktiven Dienst im Brand- und Katastrophenschutz sind. Viele Kinder sind in der Kinderfeuerwehr und viele Jugendliche in der Jugendfeuerwehr aktiv. Im Feuerwehrhaus in Bremthal wurden Sanierungsarbeiten Anfang 2022 beendet und dem seit Herbst haben Modernisierungsarbeiten am Feuerwehrhaus in Ehlhalten begonnen.

Auch in diesem Sommer trockneten die Waldböden stark aus. Maßnahmen zur Nachpflanzung werden uns auch im kommenden Jahr begleiten. Nach dem Verlust der alten Eiche in Bremthal wird nun eine Arbeitsgruppe einen Vorschlag für die Gestaltung des Umfeldes im Königsbachtal ausarbeiten. Und leider musste auch ein weiteres Naturdenkmal in Eppstein, die Brautfichte oder Lenztanne, ein Baum, der eine Höhe von 36 Metern hatte, auf 15 Meter gekürzt werden. Auch ihr hat die Trockenheit stark zugesetzt. Der Stamm bleibt als Habitat für Insekten stehen.

In Sachen Hochwasserschutz geht es endlich voran. Der Abwasserverband Main-Taunus greift die Pläne für Regenrückhaltebecken im Einzugsgebiet des Schwarzbachs wieder auf, nachdem das Land Hessen seine Förderrichtlinien geändert hat. Mit der Anlage weiterer und Instandsetzung vorhandener Mulden zur teilweisen Rückhaltung von Starkregenereignissen sind auch im letzten Jahr kommunale Mittel verauslagt worden.

Was mich sehr gefreut hat:  Zur Belebung der Eppsteiner Altstadt haben wir rund 15.000 Euro aus dem Landesprogramm „Zukunft Innenstadt“ ausgeschüttet. Der Geldsegen wurde für viele kleine Projekte genutzt: ob für Stühle zur Außenbewirtung der Gastronomie, die Beleuchtung der Talkirche oder Zuschüsse für „die Juchhe“, den Neufvilleturm und das Burgmuseum sowie eine neue zur Rossertstraße hin ausgerichteten großen Uhr am Feuerwehrhaus. In der Gruppe „Eppstein lebt!“ sind viele Eppsteinerinnen und Eppsteiner ehrenamtlich engagiert und helfen mit. Auch Initiativen wie die Zertifizierung der „Venentreppe“ von der Rossertstraße zum Woogberg durch den Kneipp Landesverband tragen dazu bei, denn die Treppe ist nun Teil eines offiziellen Wanderwegs und erinnert, dass Eppstein einst als Luftkurort viele Gäste anzog.

An eine Zeit, in der die Schmelzmühle in Vockenhausen ein Treffpunkt der künstlerischen Avantgarde war, erinnert jetzt am Stadtbahnhof die Hommage des Künstlers Kai Wolf an Ella Bergmann-Michel und Robert Michel. Möglich wurde es durch Spenden der Reinhard und Sonja Ernst-Stiftung, unterstützt von der Bürgerstiftung. So erfuhr das berühmte Künstlerpaar zum 125. Geburtstag von Robert Michel eine ganz persönliche öffentliche Würdigung. Und noch eine Erinnerung stand an: Im Jahr 1922 wurde die expressionistische Villa Paderstein auf dem Hof Häusel gebaut. Dort wurde am 9. November eine Plakette für die jüdische Familie Paderstein enthüllt, die gerade noch im September 1938 nach Brasilien fliehen konnte.

Künstlerische Lichtblicke ermöglichten der Künstlerwettbewerb des Kulturkreises und die faszinierende Umsetzung des Themas in ganz verschiedene Ansätzen. Die Ausstellung war ein wahrer Lichtblick in diesem Jahr. Eine Eppsteinerin, die sich in ganz besonderer Weise um ihre Heimatstadt verdient macht, ist Dr. Marga Weber, die zur Ehrenbürgerin unserer Stadt ernannt worden ist. Sie hat als Vorsitzende und jetzt als Ehrenvorsitzende des Verschönerungsvereins vieles für das äußere Erscheinungsbild Eppsteins und seiner Sehenswürdigkeiten getan und noch heute jeden malerischen Winkel im Blick. Sie lebt vor, dass jeder überall anpacken kann, und sei es, darauf zu achten, dass Wege, Aussichtstempel oder Ruhebänke nicht verschmutzt werden, weil uns diese Plätze wertvoll sind. Das große Engagement für unsere Stadt zeigt, dass Eppstein „Herzenssache“ ist. Die vielen Vereine und Institutionen fördern den Zusammenhalt. Daher danke ich allen, die in Eppstein in Vereinen, Kirchengemeinden, Stiftungen und anderen Institutionen Verantwortung übernehmen und so zu deren Erhalt beitragen, auch wenn es oftmals eine große Belastung neben dem Beruf ist. Aber dieses Engagement muss Zukunft haben, wir brauchen Sie, denn Sie sind Bindeglied unserer Gesellschaft.

Zusammenhalt ist gerade in schwierigen Zeiten wichtig. Denn das neue Jahr beginnen wir mit großen Herausforderungen. Erst brachte die Corona-Pandemie, jetzt der Ukraine-Krieg unwägbare Risiken. Steigende Energiepreise und allgemeine Preissteigerungen wirken sich auch auf den kommunalen Haushalt aus. Wir lernen, bewusst mit Energie und Wasser umzugehen und Ressourcen zu sparen. Dennoch werden wir auch im neuen Jahr den Kopf nicht in den Sand stecken.

Wir müssen die Digitalisierung weiter vorantreiben. Viele Bausteine wurden hier bereits gesetzt: der städtische Haushaltsplan ist interaktiv einsehbar, Termine im BürgerBüro und im Rathaus können digital vereinbart werden und demnächst stellen wir auf digitale Wasserzähler um. Die Umgestaltung des beliebten, aber in die Jahre gekommenen Spielplatzes in der Wooganlage steht an, ebenso wie die Sanierung des Sportplatzes in Niederjosbach. Diese Investitionen werden Eppstein wieder ein Stück lebenswerter machen.

Im diesem Jahr feiern wir mit Frankfurt das „Paulskirchenjubiläum“, denn in der Paulskirche trat vor 175 Jahren das erste frei gewählte Parlament in Deutschland zusammen. Ein Fest der Demokratie, das uns angesichts der jüngsten Ereignisse umso bedeutender erscheint. Das Burgmuseum greift das Thema zum Osterspaziergang auf und lädt unter dem Titel „Stürmische Zeiten - die Revolution von 1848“ wieder zu einer Zeitreise ein. Besinnen wir uns auf Gutes, das wir erreicht haben. Bis 2022 war das ein Leben in Frieden und Freiheit. Jetzt ist auch der Frieden bedroht. Daher sollten wir uns auf unsere demokratischen Grundwerte stützen und diese mit aller Kraft verteidigen. Wir sollten deutlich machen, dass politische Debatten Teil dieser Demokratie sind und nichts Negatives. Ich lade sie ganz herzlich ein, einmal den Sitzungen der Stadtverordneten, der Ortsbeiräte oder der Ausschüsse beizuwohnen. Hier engagieren sich Bürgerinnen und Bürger für Sie und für Eppstein. Als lebendige Gemeinschaft helfen uns gegenseitige Unterstützung und Rücksicht, auch Krisen zu meistern. Und dafür danke ich Ihnen ganz herzlich.

Sie sind herzlich eingeladen, uns auf dem Neujahrsempfang im Bürgerhaus am 15. Januar ab 10:30 Uhr (Veranstaltungsbeginn um 11:15 Uhr) zu treffen.

Ich wünsche Ihnen ein frohes und glückliches neues Jahr. Hoffen wir auf Frieden und setzen wir uns dafür und füreinander ein!

Ihr

Alexander Simon
Bürgermeister