Stadt unterstützt Musikschule nach Herrenberg-Urteil


Eine entsprechende Beschlussfassung des Magistrates für die Beteiligung an der Petition wurde gefasst.

Die Musikschule in Eppstein wird vom Verein Musikschule Eppstein-Rossert e.V. betrieben. Die Stadt Eppstein unterstützt mit einem jährlichen Geldbetrag in Höhe von 20.000 Euro, der im Haushaltsplan der Stadt verankert ist. Darüber hinaus kommt der Verein in den Genuss zahlreicher Unterstützungsangebote und -leistungen der Stadt. Dank der freundlichen und großzügigen Spende der Reinhard und Sonja Ernst Stiftung konnte mit der Errichtung des Musikschulhauses Eppstein im November 2016 ein Domizil geschaffen werden. Die Stadt Eppstein ist Eigentümerin und stellt die Räumlichkeiten kostenfrei zur Verfügung. Dank eines herausragenden und seit Jahrzehnten anhaltenden Engagements konnte und kann es gelingen, die Verwaltung und Administration der Musikschule weitestgehend ehrenamtlich zu organisieren. Die Musikschule Eppstein feierte im Herbst 2024 ihr 50-jähriges Bestehen. Angefangen mit einer Lehrerin und 30 Schülerinnen und Schülern hat sich die Musikschule zu einer festen Institution mit fast 30 Pädagoginnen und Pädagogen und rund 550 Schülerinnen und Schülern entwickelt. Die Musikschule ist für Eppstein wichtig und gewinnbringend.

Aufgrund einer Klage einer freiberuflich tätigen Klavierlehrerin aus Herrenberg in Baden-Württemberg wegen Verdachts auf Scheinselbstständigkeit erging im Jahr 2022 die als „Herrenberg-Urteil“ bekanntgewordene Entscheidung des Bundessozialgerichts. In dem dem Verfahren zugrundeliegenden Fall wurde festgestellt, dass freiberufliche Anstellung nicht korrekt gewesen war. Obwohl das Urteil eine Einzelfallentscheidung ist, hatte es seitdem weitreichende Konsequenzen – auch für Musikschulen in Hessen. Rund zwei Drittel der 2.700 Lehrkräfte, die an etwa 66 öffentlichen Musikschulen in Hessen tätig sind, arbeiten dort ohne Festanstellung. Die Deutsche Rentenversicherung kündigte nach dem Urteil des Bundessozialgerichts an, die Honorarverträge sukzessive zu prüfen und nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern.

Die Stadt Eppstein ist seitdem auch in dieser Angelegenheit in regelmäßigem Kontakt mit der Musikschule Eppstein-Rossert, die mittlerweile anwaltlich vertreten ist. Um Scheinselbstständigkeiten zu verhindern, müssten die Musikschulen den Lehrkräften Festangestellten-Verträge anbieten. Dies ist im Hinblick auf die Mehrbelastung im ehrenamtlich tätigen Verein kaum händelbar. Als letzte Konsequenz würde die Stadt Eppstein sich bereit erklären, den Musikschulbetrieb zu übernehmen und die Lehrerinnen und Lehrer als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt anzustellen. Dies steht aktuell nicht im Raum.

Mit einer Petition soll dafür geworben werden, Grundsatzfragen in diesem Zusammenhang neu zu bewerten. Dabei geht es um eine anzustoßende Gesetzesinitiative zur Sicherung der Selbstständigkeit von Lehrkräften und Soloselbstständigen im Bildungs- und Kulturbereich, worunter auch Musikschulen Fallen. Die Musikschule Eppstein wirbt und bittet um eine Unterstützung dieser Petition, was diesseits befürwortet wird. Die Petition, die direkt beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages anhängig ist, lief bis zum 23. Januar. 

 

Wortlaut der Petition:

Petition 174929
Grundsatzfragen zum Beitrags- und Versicherungsrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung

Gesetzesinitiative zur Sicherung der Selbstständigkeit von Lehrkräften und Soloselbstständigen im Bildungs- und Kulturbereich vom 15.11.2024

 

Text der Petition

Wir fordern eine Gesetzesinitiative zur Sicherung der Selbstständigkeit von Lehrkräften und Soloselbstständigen im Bildungs- und Kulturbereich, die folgende Punkte umfasst:
1. Freiberuflichkeit erhalten
2. Einführung eines klaren Kriterienkatalogs für Selbstständigkeit
3. Recht auf Selbstbestimmung
4. Schnellprüfung für bereits sozialversicherte Selbstständige
5. Straffreie Übergangszeit und Schutz vor Rückforderungen

 

Begründung der Petition

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) und deren Spitzenverbände nahmen das Herrenberg-Urteil, das eine Einzelfallentscheidung des BSG darstellt, zum Anlass, den Kriterienkatalog zu ändern und stufen nun immer häufiger freiberufliche Lehrtätigkeiten und künstlerische Dienstleistungen als scheinselbstständig ein, obwohl viele Lehrkräfte und Soloselbstständige bewusst die Freiberuflichkeit gewählt haben und diese aktiv in ihrer Arbeit umsetzen und leben. Wenn die DRV Scheinselbstständigkeit feststellt, zwingt das Bildungseinrichtungen und andere Auftraggeber zu enormen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen – eine finanzielle Belastung, die keine dieser Einrichtungen tragen kann und welche zwangsläufig zu massiven Einschnitten, Schließungen und dem Verlust unverzichtbarer Kultur- und Bildungsangebote führen würde. Einschränkungen der Freiberuflichkeit bedrohen die Struktur und Vielfalt der Bildungs- und Kultureinrichtungen. Kürzungen im Bildungs- und Kulturangebot und höhere Kosten würden vor allem jene treffen, die auf bezahlbare Bildung und Kultur angewiesen sind (Endverbraucher). Das Herrenberg-Urteil und dessen Auslegung durch die DRV gefährden die Existenz zehntausender freiberuflicher Lehrkräfte und Soloselbstständiger und ein über Generationen gewachsenes Bildungs- und Kultursystem.

Ergänzung zum Wortlaut der Petition:
Freiberuflichkeit erhalten: Ein Gesetz, welches festlegt, dass Soloselbstständige, die freiberufliche Tätigkeiten im Auftrag Dritter ausführen, insbesondere im Bildungsbereich, weiterhin rechtssicher arbeiten können, um Flexibilität und Vielfalt zu schützen.

Einführung eines klaren Kriterienkatalogs für Selbstständigkeit: Ein bundesweit einheitlicher, rechtsverbindlicher Kriterienkatalog muss gesetzlich verankert werden. Dieser soll branchenspezifische Besonderheiten berücksichtigen und die tatsächliche Selbstständigkeit anerkennen.

Recht auf Selbstbestimmung: Viele Lehrkräfte und Soloselbstständige wählen bewusst die Freiberuflichkeit, um Lehre und weitere selbstständige Tätigkeiten flexibel zu verbinden. Diese Freiheit ist besonders für Dozenten, die nebenberuflich unterrichten, unverzichtbar.

Schnellprüfung für bereits sozialversicherte Selbstständige: Für Selbstständige, die z. B. über die Künstlersozialkasse (KSK) oder freiwillig und nachweislich in die Deutsche Rentenversicherung einzahlen, soll ein vereinfachtes und beschleunigtes Verfahren zur Statusprüfung eingeführt werden.

Straffreie Übergangszeit und Schutz vor Rückforderungen: In dem zu beschließenden Gesetz muss sichergestellt werden, dass Rückforderungen der DRV für zurückliegende Zeiträume ausgeschlossen sind. Eine Übergangszeit erlaubt es allen Beteiligten, sich auf neue Regelungen vorzubereiten.